#119 – „Nicht größer als 24“

„Die Schrift ist zu groß. Nicht größer als Schriftgröße 24 – und das du die selbst gemacht hast, glaube ich dir eh nicht“  hat mein Sohn gestern in der Schule gelernt.

Für seine erste Präsentation die er (freiwillig und alleine) gemacht hat und dem Lehrer zeigte, gab es von seinem „Lehrer“ diese Antwort.

Kein Wunder, das die Kinder die hälfte Ihres Stoffes aus Youtube holen.

Und ich erwische mich dabei zu denken „diskutiere bloss nicht mit dem Lehrer. Du musst es noch einige Jahre mit ihm aushalten und dich gut stellen“.

Arbeitsdrohnen, die im Fließbandtakt funktionieren.

Mit diesem denken produzieren wir Funktionsmenschen, die vorgeschriebene, (be)dienende Rollen ausfüllen.

„Er war ein guter Arbeiter“ steht dann auf dem Grabstein

  • Betragen
  • Fleiß
  • Aufmerksamkeit
  • Mitarbeit
  • Ordnung
  • Zuverlässigkeit/Sorgfalt
  • Sozialverhalten

Wie wäre es denn mit

  • Kreativität
  • Originalität
  • Neugier
  • Künstlerisches denken
  • Sinn für Humor
  • Selbstbewusstsein
  • freudiger Wille
  • Initiative
  • Gemeinschaftssinn, der auch andere aktiviert
  • Freundlichkeit

„Aber unser Bildungssystem ist doch sehr sehr gut“, oder? Außer, dass es niemanden interessiert, was da überhaupt gelehrt wird, und das (auswendig gelernte) Wissen niemals angewendet werden kann. Ich fordere eine Studie, was Kinder denn lernen WOLLEN!

Mir reicht es aber dann schon zu sehen, das von 25 Schülern nur 5 Eltern zum (ersten) Elternabend der weiterführenden Schule erscheinen. Oder eine Mutter zum Weihnachtsschmücken der Klasse (und die war zufällig sowieso in der Schule).

Die ersten PISA-Schüler sind bereits im Job. Was liegt näher, als sie nochmals zu befragen, ob sie als Erwachsene etwas von den Befragungen hatten und was aus Ihrer Sicht mehr Sinn gemacht hatte zu fragen? Welche Kompetenzen werden heute überhaupt verlangt? Am besten testen wir wieder nicht die, die heutzutage etwas bringen (Neugier, Kreativität, Initiative, Teamfähigkeit, Verkaufen usw.), sondern die, die wir bei Kindern messen können (Lesen, Rechnen, Schreiben ohne Fehler …) – nur um uns zu Wundern, das Computer alles besser können.

Ich habe eine Studie gelesen die besagt, das nahezu alle Hauptschüler beim ersten mal die Führerscheinprüfung bestehen. Wieso gibt es mehr (Kinder)Experten für Dinosaurier als für Maler des Mittelalters? Warum interessieren sich Kinder für Planeten und Sterne und nicht für die unterschiedlichen Baumsorten? Warum lesen sie freiwilligso viel, bis sie zur Schule kommen und vorgeschrieben bekommen was Sie zu lesen haben? Die Kinder engagieren sich freiwillig als Messdiener und bei der Feuerwehr. Alles ist gut, wenn sie sich interessieren! Sie lernen zehn Mal so schnell – FREIWILLIG!

und wir…

„Dafür bist du noch zu klein – Das kannst du noch nicht.“ – „Das verstehst du noch nicht.“ – „Das Internet ist böse und macht dich dumm.“ – „Das ist nichts für dich.“ „Das verstehe ich ja kaum, so schwierig ist die neue Technik.“ „Lass mich das lieber mal machen“ – „So wird das nichts“ – …

Manchmal habe ich das Gefühl, Unterrichtsmaterialien werden extra so aufgebaut das niemand versteht wofür man das gelernte eigentlich verwenden kann.

Schriftliche Multiplikation
Schriftliche Division
Geometrische Körper
Punkt- vor Strich / Klammern
Zahlenarten
Größer, kleiner und gleich
Runden
Bruchrechnung
Längeneinheiten
Flächeneinheiten
Volumeneinheiten
Gewichtseinheiten
Zeiteinheiten
Maßeinheiten umrechnen
Assoziativgesetz
Distributivgesetz
Kommutativgesetz
Geometrie / Planimetrie

Wäre es zuviel verlangt, mal zu erklären was man davon später wofür gebrauchen kann? Einfach mal ein paar Beispiele. Wohl dem Kind, das hinterfragt und sich im bösen Internet selbst auf die Suche begibt. Denn im Studium geht das ganze weiter. Bloß am Anfang keine Fragen nach dem Sinn und einem ganzheitlichen Verstehen stellen. Sinn und Zusammenhang des Ganzen werden auch im Hauptstudium nie erklärt, aber der wird dann schon implizit klar, wenn der Student begabt genug ist, ihn von selbst zu erfassen.

In einem Klassenraum eines Freundes (er ist Lehrer) hängt so eine „Neumodische“ virtuelle Tafel an die man einen Computer anschliessen kann. Richtig neuer Scheiss. Absoluter Stand der Technik. „Seit 3 Jahren hängt Sie da und ich bin der einzige der sie nutzt“. Unter anderem auch, weil kaum einer weiß, wie sie zum laufen gebracht wird. Und eigentlich ist es auch schon die zweite Tafel. Die erste war nicht mehr zu gebrauchen, da zu viele Lehrer mit echten Stiften darauf geschrieben haben.

Heute gehe ich zum Elterngespräch mit der Klassenlehrerin meines Sohnes.
Ich bin gespannt

PS: Weshalb steigt die Bezahlung der Erzieher/Lehrer eigentlich mit dem Alter der Kinder?
Babystitter, Kindergärtner, Grundschullehrer, Unterstufe, Oberstufe, Studium. Die Bezahlung wird immer besser, je älter das Kind ist – das geht bis zur Universität und wird dann bei der Alterspflege nicht mehr so richtig durchgehalten. Dabei wissen wir doch, wann die Kinder (und wir Erwachsenen) am meisten geprägt werden. Der erste Erzieher, die erste Lehrerin, der erste Chef, die erste Stunde Tischtennis. Bei wem in der ersten Stunde Begeisterung entfacht wird – der bleibt länger und besser dabei.

Die besten Lehrer/Ausbilder/Trainer sollten den Anfang machen. Dann brechen auch weniger ab. Leider sind sich die besten oft zu fein. „Ich bin der beste hier im Verein, weshalb soll ich das machen?“

Als Steffi Graf und Boris Becker damals Wimbledon gewannen, hatten wir einen extremen Zulauf an jungen Tennisspielern. Stellen Sie sich mal vor, was passiert wäre wenn die beiden über s Jahr verteilt ein paar Anfängerkurse gehalten hätten? (Keine Ahnung – ist auch nur ein Gedanke)

Die besten Uni-Absolventen werden in Skandinavien Lehrer. In Skandinavien lehren dann eben die Besten. Und wir hier in Deutschland hören den Schlag nicht. Wir staunen nur, dass es in dort zwei Lehrer (zwei!!!) in den Klassen gibt damit man besser auf den Einzelschüler eingehen kann, ohne zu sehr den Fluss des Unterrichtes zu stören.

Wollen wir uns weiter beschweren das die Schüler Ihre Musterlösungen im Internet recherchieren oder Ihnen mal spannende, neue Aufgaben geben?
An meiner Hochschule gab es einen Professor, der fast 20 Jahre lang die gleichen Fragen in seinen Prüfungen stellte. Das wusste jeder. Die Aufgaben konnte man sich in der Bibliothek ausleihen (es gab 3 Kopien, da immer mindestens eine vergriffen war).

„Wissen Sie im Beruf mehr als ein frisch Gesurfter?“
„Was können Sie einem Menschen noch sagen, der zwei Stunden gesurft hat?“. Was kann denn ein Lehrer Schülern noch beibringen, die sich wirklich für ein Thema begeistern nachdem Sie es im Netz gründlich recherchiert haben?

Die allermeisten Lehrer wollen wirklich. Ich kenne Lehrer die kaufen von Ihrem privaten Geld Unterrichtsmaterialien. Nur um den Unterricht spannender zu machen.

Aber

Wie sollen unsere Kinder auf eine berufliche Zukunft vorbereitet werden? Durch Menschen, die seit Ihrem Studium zwischen Schulhof und Schreibtisch pendeln? Durch zweiwöchige Schulpraktika bei denen die zum Teil sogar die Unternehmen vorgegeben werden?

Was machen wir?

Die Bundesregierung beantwortet die Herausforderung in Deutschland mit „Bildungsgutscheinen“ für Kinder aus sozialschwachen Familien.

Herzlichst

Thimo Müller im Februar 2018

Kommentar verfassen

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.

Keine Artikel verpassen

Entdecke mehr von Inspiration & Veränderung

Jetzt abonnieren, um weiterzulesen und auf das gesamte Archiv zuzugreifen.

Weiterlesen