Er hatte den Fehler die letzten 12 Jahre nicht bemerkt

“Hätte er etwas anderes anziehen sollen?” überlegte er sich auf dem Weg die 27 Meter nach unten (er hatte sich vorher über die ideale Fallhöhe für Selbstmörder erkundigt).  Und er hatte noch knapp 2,4 Sekunden für eine Antwort (auch das hatte er berechnet).

Er hatte den Fehler nie bemerkt.
Jedes Jahr, zur selben Zeit, kam er zu dieser Brücke. Meistens war es feucht und schwül. Manchmal, je nach Uhrzeit auch neblig. Nie aber hatte er die falsche Jahreszahl auf dem Schloss registriert, dass er und seine Frau vor 12 Jahren zu Ihrem Hochzeitstag dort angebracht hatten. valor-kopeny-31405_jpg

Auf der anderen Talseite hörte er leises Glockengeläut und so etwas wie einen hellen, erschrockenen Aufschrei. Sein, mittlerweile schütter gewordenes, Haar spürte er im Wind während seine Brille gegen die Kurzsichtigkeit gegen sein Gesicht drückte.

Sollte er schreien?

Die Kollegen im Büro würden sicher nicht so schnell den Mund zu bekommen, wenn Sie am Montag davon erführen. Mehrmals hatte er es angedroht. Aber natürlich hatte ihm keiner geglaubt. “Dazu hast du nicht die Eier” hatte sein Chef zuletzt zu ihm gesagt. 19 Jahre hatte er sich den Arsch für Ihn und andere aufgerissen. Nie krank, immer zu wenig Urlaub, und zu alles und jedem “Ja” gesagt. Bloss nicht anecken und jedem gefallen.

“Sollen sie doch sehen wie sie jetzt klarkommen”.

19 Jahre in einem Job, der Ihn eigentlich schon am ersten Tag angekotzte. 19 Jahre auf einem Stuhl der schon seinem Vorgänger gehörte. Ein Scheißteil für 40 Mark aus dem Baumarkt. Zuletzt überlegte er sich, nachdem ihm zum xten mal einer dieser neuen Stühle verwehrt wurde, ob er sich nicht einfach selbst einen kauft.

“Der Hämoridenspieß tut’s doch noch ein paar Jahre für den Schmidt, und falls nicht, hat er eben einen Kündigungsgrund mehr. Wäre doch gelacht, wenn wir uns die Abfindung für Ihn nicht sparen könnten”

… stand in der Mail die sein Chef an einen Kollegen gesendet und ihn dummerweise ohne nachzudenken auf den Verteiler genommen hatte (oder war es Absicht?).

“Tja, den Stuhl kann er sich jetzt sonst wohin stecken”.

Da war aber noch ein Geräusch. Neben dem Pfeifen des Windes, den Glocken und dem Schrei war da noch etwas. Irgendwie weit weg. Es passte nicht hierher. Er konnte es nicht zuordnen. Ein leises Pfeifen oder Piepsen …?
Im nächsten Moment war es ihm klar …

… Tag 4.181 in seinem Scheißjob hatte begonnen und es war sein Handy, das Ihn mit seinem jähzornigen Weckton aus dem Bett trieb.

Naja, wenn alles gut lief, hatte er nur noch weitere 3740 Tage und den Rest von heute.

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