“… können wir Ihnen vorerst keine bessere Nachricht zukommen lassen, als das wir uns für eine/n andere/n Mitarbeiter/in entschieden haben.
Wir bedauern, Ihnen keinen günstigeren Bescheid geben zu können.
Bitte sehen Sie unsere Entscheidung nicht als Bewertung Ihrer Kenntnisse und Fähigkeiten an.
Für Ihren weiteren Berufsweg wünschen wir Ihnen viel Erfolg sowie alles Gute für Ihre persönliche Zukunft.
Mit nochmaligem Dank und freundlichen Grüßen”
Ihr HR Team der XYZ GmbH“ (Written by Absagengenerator(.de))
Wie fühlen Sie sich bei einer solchen Absage? Ganz Egal wie viele Bewerbungen bereits geschrieben wurden. Ganz unabhängig davon ob sie den neuen Job brauchen weil sie gerade gekündigt wurden, oder Sie noch in einem festen Arbeitsverhältnis sitzen. Irgendwie werden wir hier zur “Ware Mensch” degradiert.
Ich kann es verstehen, wenn die Personalabteilung eines Unternehmens 200 Bewerbungen auf eine ausgeschriebene Position erhält. Ich kann es verstehen, wenn HR bei einer Absage (rein rechtlich) nichts falsch machen will oder darf. Ich kann es auch verstehen, dass es noch weitere Aufgaben für die HR verantwortlich ist. Doch sollten wir uns immer wieder in Erinnerung rufen “es geht um Menschen”.
Um eben diese 200 Bewerbungen zu vermeiden und es uns dadurch möglich zu machen besser auf den einzelnen Bewerber einzugehen ist es an der Zeit, mehr Klarheit und Konsequenz in das Entwickeln von Positionen und deren Anforderungsprofil zu investieren. Denn der Anspruch an mehr Vertrauen, Mut, Offenheit und Geschwindigkeit – übliche Werte eben, die sich in reduzierter Komplexität, erhöhter Time-To-Market und mehr Produktivität niederschlagen – wird eher zunehmen.
Sehen wir die Sache doch mal so … Wenn ein Unternehmen viele Bewerbungen auf eine Position bekommt, hat es entweder etwas ganz richtig gemacht, oder ganz falsch. Oder anders – wenn wir viele Absagen versenden müssen haben wir entweder „Recruiting by Gieskanne“ durchgeführt oder es gibt wirklich so viele auf unser Profil passende Kandidaten, die sich bei uns bewerben (und wir leider nur einen einstellen können). Meistens ist ersteres der Fall. Es kann durchaus hilfreich sein wenn wir bestimmte Positionen sehr allgemein halten und diese auch maximal publizieren. Dann muss ich mich allerdings auch auf eine Bewerbungsflut einstellen und diese abarbeiten können. Bei einigen Vertriebspositionen oder Verwaltungsstellen kann das zB der Fall sein. Hier sollte aber abgewogen werden. Oft ist es Sinnvoller eine Position erst einmal genau und klar zu beschreiben. Hierzu gehören bei Erstellen des Profils alle Beteiligten gehört. Letztendlich bringt es wenig wenn sich die Fachabteilung übergangen oder HR nicht einbezogen wird.
„Weshalb kopieren wir nicht einfach die letzte Anzeige“ oder „was inseriert denn unser Wettbewerb?“ – höre ich oft von meinen Auftraggebern. Spielen wir den Gedanken einmal weiter und nehmen wir einmal an mehr Unternehmen handeln so. Schade um die Zeit und das Geld, das wir in eine solche Anzeige investieren. Wir brauchen uns dann auch nicht zu wundern wenn wir “eben so viele” oder “so wenige” Bewerbungen erhalten.
Wie sehen die Alternativen aus?
Meiner Meinung nach benötigen wir „Wasserklare“ und konsequente Positionsprofile. Ein solches Profil muss 95% aller anfallenden Fragen der angesprochenen Gruppe aber auch der internen Mitarbeiter und Fachverantwortlichen beantworten. Natürlich bedeutet das einen bestimmten Zeitaufwand. Den habe ich aber später bei den Absagen auch. Je klarer in der Anforderung und meinen Erwartungen ich also bin – desto kleiner wird der Kreis der Kandidaten die sich bewerben – und umso geringer fallen die Rückfragen zu Beginn aus. Es kann durchaus hilfreich sein, zu beschreiben was ich erwarte und was eben nicht.
Anbei einige Beispiele wie ein und dieselbe Profilbeschreibung eines Außendienstmitarbeiters aussehen kann:
Version 1: “Wir erwarten/Von Vorteil sind: erste Vertriebserfahrungen”
Version 2: “Wir erwarten mindestens 3 Jahre Erfahrung im Vertrieb”
Version 3: “Wir erwarten mindestens 3 Jahre Erfahrung im Vertriebsaußendienst”
Version 4: “Wir erwarten mindestens 3 Jahre Erfahrung im Vertriebsaußendienst (bei dem gleichen Arbeitgeber) innerhalb der Verpackungsbranche (Kunststoff-, Papierbasierende-, Glas- und Metallverpackungen) mit einem Umsatzvolumen von mindestens 5 Mio € und (Optional) mindestens 3 Einzelkunden (Umsatz > 250.000€) aus dem Bereich Lebensmittel. Bitte bewerben Sie sich nicht, wenn Sie nicht mindestens 3 Jahre Außendiensterfahrungen haben. Weiterhin bewerben Sie sich bitte nicht, wenn Sie nicht aus der Verpackungsbranche kommen. Außendiensterfahrung bedeutet für uns, dass Sie mindestens 50% Ihrer Zeit unterwegs bzw. beim Kunden vor Ort verbringen.
Bitte bewerben Sie sich nicht, wenn Sie innerhalb der letzten 4 Jahre Ihren Arbeitgeber gewechselt haben. Bitte bewerben Sie sich nicht, wenn Sie nicht innerhalb der letzten 3 Jahre eine Umsatzsteigerung von X% aufweisen können.
Zuerst einmal reduzieren Sie hierdurch Ihre Anzahl der Bewerbungen drastisch – versprochen. Dieser Detailreichtum hilft Ihnen aber zu einer internen Klarheit, was Sie überhaupt erwarten. „Abstriche” machen können sie später immer noch.
Bitte denken Sie daran; Es geht um Menschen. Je klarer Sie in Ihrer Anforderung sind, desto wertschätzender wird die Kommunikation und auch die Absagen.
Lassen Sie keinerlei Unklarheiten bei einem solchen Profil zu.
Denken Sie in messbaren Kriterien.
Hilfestellung können wir uns aus dem Projektmanagement z.B. mit der MoSCoW-Priorisierung holen.
Die MoSCoW-Priorisierung ist eine vierstufige Prioritätenskala zur Bewertung von Anforderungen. Ein typischer Anwendungsbereich für diese Methode sind agile Projekte, in denen Anforderungen priorisiert werden und somit die Reihenfolge ihrer Abarbeitung feststeht. Auch PRINCE2 empfiehlt diese Methode, um offene Punkte, d.h. meistens Änderungsanträge, zu priorisieren. Darüber hinaus lässt sich das Vorgehen auch für die eigene Aufgabenplanung verwenden, um z.B. bei einer großen Fülle an Aufgaben Struktur in deren Abarbeitung zu bringen.
Der Begriff “MoSCoW” ist ein Akronym und bezeichnet eine vierstufige Priorisierungsskala (vgl. Angermeier, 2014 und Wikipedia).
Übersetzt für die Besetzung von Positionen bedeutet das:
M – MUST (Erfahrung bzw. Können für die zukünftige Position/Verantwortung zwingend erforderlich.)
S – SHOULD (Erfahrung bzw. Können für die zukünftige Position/Verantwortung erforderlich, sind aber im Gegensatz zu den MUST-Anforderungen durch Weiterbildung, erlernen o.Ä. veränderbar.)
C – COULD (Diese Anforderungen können erfüllt sein, wenn alle Must- und Should-Anforderungen erfüllt sind (und noch ausreichend Ressourcen und Zeit zur Verfügung stehen).
W – WON’T (Diese Anforderungen werden für die aktuelle Position nicht benötigt (stattdessen in einem Ideenpool oder der Anforderungsliste für die nächste Vakanz gespeichert).
Ggf. benötigen wir noch einen weiteren Punkt:
MUST/SHOULD NOT (Was sollte ein Bewerber nicht mitbringen/wie sollte ein Bewerber nicht sein?)
PS: die Zeichnung ist von mir 😉
Thimo Müller
Contento Select GmbH
Personalberatung der Verpackungsbranche