Die letzten Jahre bin ich jeden Morgen mit einem klaren Ziel aufgewacht: Mich selbst zu übertreffen, härter, besser, gesünder zu sein als gestern. Immer an und über meine Grenzen zu gehen.
Aber die bittere Realität ist, dass mein Geist und mein Körper Grenzen haben. Zu was das führt? Burnout, Erschöpfung, mentale Erschütterungen.
Ich habe gelernt: Ich habe Grenzen
Wenn ich heute trainiere, wenn ich meine Grenzen austeste, tue ich es mit einem messerscharfen Bewusstsein. In einer neuen Identität. Einer Identität, die meine Grenzen kennt udn sich meiner eigenen Sterblichkeit bewusst ist. Ich spüre jeden Herzschlag, jede Atembewegung, und ich weiß, dass ich stark bin, aber nicht unzerstörbar. Ich habe gelernt, dass Pausen und Erholung keine Schwäche sind, sondern eine notwendige Waffe im Arsenal eines jeden, der wahrhaft hart sein will.
Härte bedeutet für mich nicht mehr nur, sich über eigene Maß hinaus zu pushen, sondern die eigene Menschlichkeit zu erkennen und zu respektieren.
Ich bin härter geworden, nicht indem ich mich blindlings in die Schlacht stürze, sondern indem ich weise wähle, wann, wie, mit wem – und vor allem wofür – ich kämpfe.
Die Botschaft der Selbstoptimierung klingt verführerisch: Werde stärker, besser, schneller, klüger, und du kannst alles erreichen. Aber diese Gedanken, die unaufhörlich auf Verbesserung pochen, verwandeln das Leben schnell in ein endloses Hamsterrad. Alles ist heute “trackbar” (Schritte, Schlafqualität, Herzgesundheit, Ernährung, Finanzen, Stimmung, Blutzucker, Wasser etc.) .. Ständige Selbstverbesserung wird zur Norm, und wer nicht mithält, gilt als schwach oder faul. Diese Mentalität schafft eine Kultur, in der Erschöpfung und Überarbeitung glorifiziert und Ruhe und Erholung als Zeitverschwendung angesehen werden.
Die Ignoranz gegenüber den eigenen Grenzen
Es geht nicht darum, dich selbst zu zerstören. Es geht darum, dich selbst und deine Grenzen zu testen und zu transformieren. Aber du kannst nur dann weiter gehen, wenn du deine Grenzen kennst und diese auch respektierst. Menschen sind keine Maschinen. Unsere Ressourcen sind begrenzt.
Wahre Stärke und Härte bedeutet nicht, blindlings über die eigenen Grenzen hinauszugehen. Es geht darum, diese Grenzen zu verstehen, sie zu respektieren und auf dieser Basis weiterzuwachsen. Es geht darum, die eigene Gesundheit und das Wohlbefinden nicht aufs Spiel zu setzen, sondern sie als Teil des Weges zur Selbstverbesserung zu betrachten.
Eine gefährliche Botschaft an die Gesellschaft
Diese Obsession mit Selbstoptimierung sendet auch eine gefährliche Botschaft an die Gesellschaft: Du bist nie gut genug. Diese Botschaft untergräbt das Selbstwertgefühl und fördert eine Kultur der Unzufriedenheit und des ständigen Vergleichs. Wir leben in einer Welt, in der der Wert eines Menschen zunehmend an seiner Leistungsfähigkeit und Produktivität gemessen wird, und nicht an seinem Charakter oder seinen zwischenmenschlichen Beziehungen.
Ein Aufruf zur Besinnung
Es ist an der Zeit, mit der Illusion der ständigen Selbstoptimierung knallhart abzurechnen. Wir müssen endlich aufhören, uns selbst zu belügen und zu denken, dass ununterbrochenes Wachstum und Entwicklung ohne Kollateralschäden möglich sind. Es geht darum, brutal ehrlich zu uns selbst zu sein.
Wir müssen unsere Grenzen nicht nur respektieren, wir müssen sie verdammt noch mal ernst nehmen. Wir sind keine Maschinen, und dieser ständige Wahnsinn, immer mehr und besser sein zu wollen, ist eine direkte Fahrkarte in den Burnout.
Ja, es kann durchaus wertvoll sein, ab und an über die eigenen Grenzen hinauszugehen. Diese Momente, in denen wir uns selbst herausfordern und unsere Grenzen überschreiten, können uns helfen, unsere eigene Stärke zu erkennen und zu wachsen. Aber bitte: Es ist ein gelegentliches Überschreiten, kein ständiges Übertreten.
Das wahre Ziel sollte nicht ein ständiger Kampf gegen unsere Grenzen sein, sondern ein gesundes Gleichgewicht, bei dem wir wissen, wann genug genug ist. Wir dürfen uns nicht länger selbst zerstören in dem Glauben, dass dies der Weg zu einem erfüllten Leben ist. Es ist Zeit, diese toxische Mentalität zu zerschlagen und stattdessen einen Pfad der vernünftigen Selbstakzeptanz und des gesunden Menschenverstands zu wählen. Nur dann können wir wirklich ein erfülltes und gesundes Leben führen – ohne uns selbst dabei zu ruinieren.