Ich kann es nicht mehr hören. Auf fast jedem Seminar, in Ratgebern und Selbshilfebüchern …
“Lebe so, als würdest du morgen sterben.”
Ich kann die Ratschläge nicht mehr hören.
Was weiß denn ich, was ich tun würde, wenn ich morgen stürbe. Wahrscheinlich möchte ich mit meiner Familie zusammen sein und die letzten Stunden genießen.
Aber ich will doch nicht die ganze Zeit so leben, als würde ich morgen sterben.
Viel lieber lebe ich so, als wäre heute mein erster Tag auf der Welt.
Und nein, ich habe auch keine Lust, meine eigene Grabrede zu verfassen.
Was hab ich davon?
Ich habe da ein paar andere Ideen:
Was wäre, wenn ich ab sofort mein Leben so lebe, als würde ich nie sterben?
Fühlt sich gar nicht so schlecht an.
Ich probiere es mal aus.
Und sollte es nicht funktionieren, dann muss ich mir eben wegen meiner Grabrede etwas einfallen lassen 😉
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In einem anderen Gedanken sehe ich mich als Romanfigur. Als jemand in einer Geschichte. Mein Leben ist wie in einem Buch begrenzt durch den Einband – Anfang und Ende. Aber wie die Charaktere im Buch habe ich keine Angst davor, das das Buch irgendwann ein Ende hat. Oder hate Captain Ahab mal gesagt:
“Hoffentlich ist das Buch noch nicht zu Ende”?
Nein, er hat keine Angst das er die letzte Seite erreicht. Ich weiß, das ich irgendwann sterben werde. Ich weiß, das ich das beste aus meinem Leben herausholen will, Ich weiß, das ich so lange und so gut leben möchte, wie es nur geht.
Dafür brauche ich keine Grabrede oder mir auszumalen, das ich morgen sterbe.
Und so sollte es bei mir sein. Ich lebe das Buch meines Lebens, begrenzt von seinen Umschläge, seinem Anfang und seinem Ende.
Ich kann nur die Momente dazwischen leben, die Momente, die mein Leben ausmachen.
Es macht für mich keinen Sinn darüber zu hirnen, was sich außerhalb dieser Seiten befindet, sei es vor meiner Geburt oder nach meinem Tod. Und ich möchte mir auch keine Sorgen machen, wie lang das Buch ist oder ob es eine Comic oder ein Epos ist.
Das einzige, was zählt, ist, dass ich es zu einer guten Geschichte machen möchte.
“Es kommt sehr viel darauf an, ob man das Leben verlängert oder das Sterben.”
— Lucius Annaeus Seneca